Gespräch über Flüchtlinge - Landkreis: „Wir leben von der Hand in den Mund“
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Beim Landkreis Schaumburg informierten sich kürzlich die heimische Bundestagsabgeordnete Katja Keul, die Europaabgeordnete Ska Keller(beide Bündnis 90 / DIE GRÜNEN) und der Fraktionsvorsitzende der Grünen im hiesigen Kreistag, Michael Dombrowski über die Situation von Flüchtlingen und Asylbewerbern aus unterschiedlichen Krisen- und Kriegsregionen.
Der Erste Kreisrat Klaus Heimann, der Leiter des Sozialamtes Heinz Kraschewski und Sachbearbeiter Klaus Böhm berichteten den Abgeordneten angesichts steigender Flüchtlingszahlen von Schwierigkeiten bei der dezentralen Unterbringung. Die Lage sei so angespannt, dass inzwischen wieder Wohnheime für Asylsuchende ein Thema im Landkreis seien, so Heimann. Man bleibe aber bei dem Ziel einer dezentralen Unterbringung nach dem Leverkusener Modell, das die Unterbringung in privatem Wohnraum favorisiert. Auch im Landkreis Schaumburg seien hierbei die Erfahrungen überwiegend positiv. Trotzdem sei das einzige verbliebene Wohnheim für Asylbewerber in Rinteln gerade jetzt unverzichtbar. Man sei besonders bei kurzfristig angekündigten Aufnahmen an die „Grenzen gestoßen" und habe zeitweise zu Behelfslösungen greifen müssen.
Bei der Option der Wiedereinrichtung von Heimen sei im Kreis eine Obergrenze von 40 Personen angedacht, die „soziale Verträglichkeit" ermögliche.
Im Jahr 2006 hatte der Landkreis Schaumburg die Heranziehung der Gemeinden zur Unterbringung ausgesetzt „mangels Masse", wie Heinz Kraschewski berichtete. Der Landkreis habe diese Aufgabe ab dann zentral erledigt und dabei das Personal der aufgelösten gemeindeeigenen Sozialämter übernommen. „Natürlich sind wir aber weiterhin bei der Wohnraumsuche dringend auf die Kooperation der Städte und Gemeinden angewiesen".
Eine Entspannung der Lage sei nicht in Sicht. Der Erste Kreisrat Klaus Heimann: „Wir leben von der Hand in den Mund. Ein Puffer ist nicht vorhanden". Heimann betonte, dass der Kreis eigentlich mehr Menschen hätte unterbringen müssen. „Bis Mitte Juni erwarten wir weitere bis zu 270 Aufnahmen."
Bei der Schwierigkeit, Vermieter von geeignetem Wohnraum zu finden, spielten Vorbehalte gegen dunkelhäutige Bewerber eine leider nicht zu verleugnende Rolle. Die Unsicherheit über die Dauer der Mietverhältnisse sei ebenso gravierend zu bewerten. Dies gelte besonders, wenn die Statusfrage der Asylsuchenden nicht geklärt sei.
Die grüne Europaabgeordnete Ska Keller kritisierte, dass durch das Dublin II – Abkommen ein europaweiter Verschiebebahnhof für Asylbewerber eingeführt worden sei, der sich konkret bis hinunter in Gemeinden als Hemmschuh für Integration erweise.
Keul berichtete von ihren Besuchen bei Flüchtlingen, die sie in den vergangenen Wochen mit dem Nienburger Integrationsmentor Karim Iraki unternommen hatte, der jeweils für eine reibungslose Übersetzung sorgte. Zeitungsberichte über die Einzelschicksale der Flüchtlinge hätten in Nienburg eine beachtliche Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung ausgelöst. Keul: „Es ist wichtig, den Flüchtlingen und ihrem Schicksal ein Gesicht zu verleihen. Das kann auch Vorurteile abbauen, die bei der Wohnungssuche im Wege stehen." Integrationsbemühungen, die erst einmal in einer Art Warteschleife verharrten, büßten ganz erheblich an Effizienz ein, war man sich einig.
Klaus Heimann betonte, dass der Landkreis Schaumburg in Zusammenarbeit mit der AWO seine Integrationsangebote weiterentwickeln und ausweiten wolle, nur sei nicht von heute auf morgen geeignetes und vor allem erfahrenes Personal für diese Arbeit zu finden.
„Der Kreistag hat gerade 20.000 Euro für niedrigschwellige Integrationsangebote in den Haushalt eingestellt", berichtete Michael Dombrowski, der bei der Zweckbindung der Gelder auf eine Initiative seiner Fraktion verwies.
Bei einem anschließenden Gespräch im Kommunikationszentrum Alte Polizei mit Aktiven in der beruflichen und ehrenamtlichen Integrationsarbeit war auch die zuständige Landtagsabgeordnete Filiz Polat anwesend. Sie erläuterte die Anstrengungen des Landes Niedersachsen. Auch wenn man auf Landesseite die Aufnahmestellen wie Bramsche oder Friedland nicht als ideal für die Integration von Flüchtlingen ansehe, ein Hin und Her zwischen dezentralen Wohnungen und Aufnahmestellen sei noch weniger hilfreich. Deshalb sei das Land dabei, die Kapazitäten aufzustocken.
Eine gelungene Integration der Neubürger sei ein Gewinn für alle Beteiligten, waren sich die grünen Politikerinnen und ihre 10 Gesprächspartner einig. Deshalb sei ein Zustand zu überwinden, bei dem Integrationsarbeit am äußersten Limit stattfinde und Willkommenskultur unter den Tisch falle.