18.12.2013
Bundestagsabgeordnete Keul besucht Flüchtlingsfamilien

Seit 3 Jahren tobt in Syrien ein mörderischer Bürgerkrieg, dem bereits über 100.000 Menschen zum Opfer gefallen sind und in dem jeden Tage weitere Zivilisten sterben. Kürzlich haben die Familien von Ibrahim Alo mit 6 Kindern im Alter zwischen 15 und 24, sowie seinem Bruder Isa Alo mit 4 Kindern ( 12,15,18,21) nach ihrer Flucht aus Syrien im Landkreis Nienburg eine neue Bleibe gefunden.
Eine Woche nach Ihrem Einzug in Rohrsen erhielten sie Besuch von der hiesigen Bundestagsabgeordneten Katja Keul (Bündnis 90 /DIE GRÜNEN) in Begleitung des Nienburger Stadtrates und Integrationsmentors Karim Iraki, der die Übersetzung auf arabisch sicherstellte. Die meisten Räume im Haus sind noch leer. Bei der Suche nach geeignetem Mobiliar steht Ihnen Iraki in den nächsten Wochen zur Seite.
Eine der Töchter konnte sich mit Keul auf Englisch verständigen, da sie in Aleppo englische Literatur studierte, bevor sie vor zwei Jahren die Universität dort aus Sicherheitsgründen nicht mehr aufsuchen konnte. Auch die anderen Kinder haben seit zwei Jahren keine Schule mehr besucht. Die minderjährigen Kinder haben am Montag ihren 1.Schultag in Heemsen und freuen sich sehr darauf, endlich wieder zur Schule gehen zu dürfen.
Die Abgeordnete begrüßte die syrischen Flüchtlinge, hieß sie willkommen und bat die Familien darum, ihre Geschichte zu erzählen, warum und auf welchem Wege sie ihr Land verlassen mussten.
Daraufhin berichten die Väter, wie die freie syrische Armee der Rebellen am 08.11.2012 nachts in ihre Heimatstadt im Norden Syriens einmarschierte und sich Gefechte mit den staatlichen Sicherheitskräften lieferte. 3 Tage und 3 Nächte hätten die etwa 1500 -2000 Rebellen gemeinsam mit den Al Nusra Milizen daraufhin die Stadt belagert und die etwa 300 Soldaten Assads bekämpft und getötet. Alawitische Soldaten wurden von den Al Nusra Milizen umgehend hingerichtet, wenn sie sich ergaben.
In den folgenden Tagen schickte Assad weitere Soldaten, die nach heftigen Gefechten ebenfalls gegen die freie syrische Armee und die Al Nusra Brigade unterlagen. Nach dem Sieg der Rebellen kamen dann kurdische Kämpfer aus den kurdischen Gebieten im Osten und beanspruchten die Hoheit über die Stadt.
Während sich nun in der Stadt die Al Nusra Brigaden gegen die kurdischen Freiheitskämpfer erbitterte Gefechte lieferten, ließ Assad die Stadt aus der Luft bombardieren. Viele Häuser wurden zerstört und die Familien Alo verloren vielen Freunde und Verwandte. Bilder von verstümmelten Toten lassen sie bis heute nicht los.
Isa Alo leidet an den Symptomen einer traumatischen Belastungsstörung und erhält derzeit entsprechende Medikamente. Auch die Kinder hätte zu viel gesehen. Immer wieder musste die Familie in Nachbarorten Zuflucht suchen.
Als yezidische Kurden waren die Alos schon immer gegen Assad gewesen, der Ihnen keine Bürgerrechte in Syrien gewährte. Für die islamistischen Al Nusra Brigaden waren sie Ungläubige, die als solche gezielt ermordet wurden. So gerieten sie zwischen die Fronten. Ibrahim Alos wurde von der Al Nusra am Telefon mit seiner Hinrichtung bedroht, wenn er nicht 100.000 syrische Dollar zahle.
Er versteckte sich von da an getrennt von seiner Familie, die sich 15 Tage lang in ihrem Haus verbarrikadiert hatte, während die Kämpfe vollends eskalierten. Irgendwann sei klar gewesen, dass die Flucht die einzige Überlebenschance war. Ein Großteil der Familie nutzte eine Gefechtspause, um über die Grenze in die Türkei zu fliehen.
Auch Ibrahim Alo wurde in dem Dorf, wo er sich bei Verwandten versteckte, vor einem bevorstehenden Angriff der Al Nusra gewarnt und flüchtete zusammen mit einer Tochter am 13.08. in die Türkei nach Istanbul.
Er habe niemals vorgehabt seine Heimat zu verlassen und sei der letzte gewesen, der ging. Nur die älteren Dorfbewohner bestanden darauf in ihren Häusern zu bleiben. Wenige Tage nach seiner Ankunft in Istanbul erfuhr er, dass auch die älteren Menschen in dem Dorf ermordet worden waren. Das Hab und Gut wurde geraubt und die Häuser teilweise vermint. Drei seiner Cousins starben als sie in das Haus ihrer Mutter zurück kehren wollten.
Nun wolle er nie mehr nach Syrien zurückkehren und hoffe darauf sich in Deutschland ein neues Leben aufbauen zu können.
Mithilfe von türkischen Schleppern konnten die verstreuten Familienmitglieder Flüge nach Düsseldorf buchen, wo sie im November landeten und Asylanträge stellten. Erst in Friedland fand sich die Familie am 24.11. wieder zusammen.
Auf die Frage der Abgeordneten, was Deutschland für die syrische Bevölkerung tun könne, antworteten die Familienväter, dass sie sehr hofften, weitere Verwandte nach Deutschland holen zu können. Ihr größter Wunsch für das neue Jahr sei, dass ihre Kinder endlich wieder zur Schule gehen und auch die größeren ihr Studium fortsetzen können.
Um ihren Wunsch nach Fahrrädern und damit Mobilität für die Kinder versprach Iraki sich in nächster Zeit zu kümmern. Manchmal seien es eben die kleinen Dinge, die einen großen Unterschied machen können, so Keul.
Hier können Sie Berichte aus der regionalen Presse lesen:
Die Kreiszeitung vom 18.12.2013:
Morddrohungen und Bombenangriffe
Die Harke vom 18.12.2013:
Schreckliche Bilder immer noch vor Augen
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