Meine neuen Aufgaben als Staatsministerin

Die HARKE- Das Interview

17.02.22 –

Ich sprach mit HARKE-Redakteur Sebastian Stüben über meine neuen Aufgaben als Staatsministerin und meine ersten Wochen im Amt. 

Was ist ihre Aufgabe als Staatsministerin?

Meine Aufgabe ist es, die Außenministerin zu vertreten. Dabei ist es toll, auf die Kapazitäten des Auswärtigen Amtes und die hochprofessionelle Vorbereitung zurückgreifen zu können. Als Oppositionsabgeordnete hatte ich zwar auch Unterstützung durch meine wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen, aber der Zugriff auf ein ganzes Ministerium ist noch einmal etwas anderes.

Ich vertrete die Ministerin sowohl gegenüber dem Parlament als auch im In- und Ausland. In Sitzungswochen vertrete ich sie also im Ausschuss, in der Fragestunde und auf der Regierungsbank während der Parlamentsdebatten. Dienstreisen, bei denen ich die Ministerin im Ausland vertrete, finden überwiegend in den Nichtsitzungswochen statt, was die Zeit für die Wahlkreisarbeit leider etwas reduziert. Ich werde also nie mit der Ministerin zusammen irgendwo hinfahren, denn meine Aufgabe ist es, dort zu sein, wo sie nicht sein kann.

Meine Zuständigkeiten sind Abrüstung, Rüstungskontrolle und geografisch bin ich für Afrika zuständig. Die Mandatsfrage für die Bundeswehr in Mali steht hier derzeit im Vordergrund. Es geht aber nicht nur darum, Krisen, Katastrophen und Kriege zu bearbeiten – denn ich bin daneben auch für die auswärtige Kulturpolitik zuständig. Aktuelle Themen sind unter anderem die Aufarbeitung der Kolonialzeit, die Rückgabe von Kulturgütern und die Rückgabe menschlichen Überresten. Es geht natürlich auch allgemein darum, diplomatische Kontakte zu pflegen.

Ist es für Sie aufregend?

Aufregend ist es immer noch jeden Tag. Vieles mache ich zum ersten Mal. So habe ich diese Woche erstmals einen Orden übergeben dürfen. Der Termindruck ist schon sehr hoch, aber das war er letztlich als Parlamentarierin in Sitzungswochen auch schon. Welche Dienstreisen als nächstes anstehen, ist nicht immer leicht zu sagen. Der Bedarf kann sich aber auch unerwartet aufgrund von Ereignissen ergeben.

Kürzlich sind Sie aus Mali zurückgekehrt. Wo genau in Mali waren Sie?

Ich war in Gao im Norden des Landes. Da ist das Hauptkontingent der Deutschen Bundeswehr im Rahmen von MINUSMA stationiert. Und ich war in der Hauptstadt Bamako. Angereist sind wir mit einer Maschine der Bundeswehr, da Air France die Flüge über Paris bereits eingestellt hat aufgrund der Auseinandersetzungen zwischen Mali und der französischen Regierung.

Wie ist die politische Situation dort?

Die Situation in Mali nach dem Militärputsch ist gefährlich. Die Sanktionen der Nachbarländer gegen Mali sind sehr hart, da sie weder das inakzeptable Vorgehen der Militärregierung hinnehmen wollen noch, dass dieses Beispiel Schule macht. Das Land könnte in die Zahlungsunfähigkeit rutschen, wenn sich nicht bald ein Kompromiss abzeichnet.

Die schwache staatliche Autorität könnte dadurch erodieren und die Nachbarländer destabilisieren. Es geht jetzt darum, möglichst schnell einen Rückweg zu demokratischen Wahlen zu finden. Daher haben auch wir im Rahmen der Europäischen Union malische Politiker sanktioniert, die maßgeblich dafür verantwortlich sind, den Weg des Landes zurück zur Demokratie zu blockieren. Meine Reise kam zeitlich passend in dieser Drucksituation.

Wie ist die humanitäre Situation in Mali?

Die Bevölkerung im Norden um Gao, wo auch die Bundeswehr stationiert ist, wird von bewaffneten islamistischen Gruppen bedroht. Die Menschen dort haben sich schon immer vernachlässigt gefühlt. Sie haben einfach Angst vor Terroristen und Dschihadisten. Der IS hat dort schon ganze Dörfer massakriert. Deshalb herrscht dort eine große Wertschätzung für die Truppen vor. Die Menschen im Norden interessieren sich weniger für Wahlen und Entwicklungen in der Hauptstadt als für ihre Sicherheit. Die Lage in Bamako ist vergleichsweise weniger angespannt.

Mali ist zudem eines der ärmsten Länder der Welt. Aber die Menschen wollen nach vorne kommen, sind nicht deprimiert oder abgestumpft, sondern wild entschlossen, ihr Schicksal in die Hand zu nehmen. Es gibt eine nationale Bewegung, die motiviert ist, ihren Staat aufzubauen.
 

Wen haben Sie vor Ort getroffen? Mit wem haben Sie gesprochen?

In Regierungsgespräche mit Ministern, die nicht von der EU-Listung betroffen sind, habe ich zwei Botschaften platziert: Der aktuelle Zustand mit der Militärregierung ist inakzeptabel. Wenn die europäische Unterstützung weitergehen soll, brauchen wir ein klares Signal für demokratische Wahlen, einen Zeitplan. Sonst sind beide Missionen der Bundeswehr - sowohl MINUSMA als auch die Trainingsmission EUTM Mali - ernsthaft infrage gestellt. Mir haben die Minister glaubhaft vermittelt, sie hätten den Ernst der Lage erkannt und seien dabei, eine Verhandlungslösung zu finden.

Wir müssen dennoch sehr gut überlegen, ob wir unsere Truppen abziehen oder vor Ort lassen. Die Bundeswehr stellt gerade im Norden eine Schutzkomponente für die Zivilbevölkerung dar. Wenn wir da bleiben, müssen wir aber gut überlegen, wie die Perspektive aussieht, wie eine Exitstrategie aussieht? Kurzfristig ist eine stabile Lage in Mali eher unwahrscheinlich.

Außerdem gab es spannende Gespräche mit der Zivilbevölkerung. Die ist sehr engagiert und will sich politisch beteiligen. Die Bevölkerung unterstützt die aktuellen militärischen Machthaber. Die Menschen hatten die alten Machthaber satt, wollen diese nicht wiederhaben. Die Bevölkerung hat Reformvorschläge mit erarbeitet. Wenn die Militärregierung jetzt schnell Wahlen durchführen und selbst antreten würde, würde die Bevölkerung sie wahrscheinlich sogar wählen. Aber die aktuellen Regierungsmitglieder sind nach der Transitionscharta von der Kandidatur ausgeschlossen. Die Putschisten selbst dürfen nicht antreten, obwohl sie populär sind. Die Botschaft muss sein: Wir sind Demokraten und mögen keine Putsche, aber Reformen sind wichtig.

Welche Aufgaben haben die deutschen Truppen? Speziell die Kräfte aus Nienburg?

Es sind mehrere Soldatinnen und Soldaten aus meinem Wahlkreis vor Ort. Sie gehören zur Besatzung von Fahrzeugen oder fliegen Hubschrauber. Aus Nienburg sind Cimic-Einsatzkräfte in Gao, zuständig für die zivil-militärische Zusammenarbeit. Sie gehen raus, sehen was vom Umfeld, sehen, was aus UN-Projekten wird. Es herrscht dort auch Skepsis. Die Einsatzkräfte fragen sich, wie es weitergehen soll.

Wie sieht der Alltag dort für die Soldatinnen und Soldaten aus?

Jeder hat seine Aufgabe mit unterschiedlichem Tagesablauf. Der Hauptauftrag ist die Aufklärung - sowohl mit Aufklärungsdrohnen als auch mit Patrouillen. Unsere Aufklärungseinheiten sind für die Bevölkerung eher unsichtbar - anders als die Cimic-Soldaten. Dort wo die Sicherheitslage aufgeklärt werden konnten, sind außerdem anschließend Briten und Schweden mit UN-Fahrzeugen vor Ort und sorgen für sichtbare Präsenz.

Die Soldatinnen und Soldaten leben in Camp Castor in der Wüste, das überwiegend aus Containern besteht. In ihrer Freizeit können die Einsatzkräfte in einem Bereich zum Sitzen zusammenkommen, nicht-alkoholische Getränke konsumieren und Filme schauen. Anders als im UN-Lager haben unsere Truppen darauf verzichtet, alles zu Begrünen. Im Angesicht des herrschenden Wassermangels halten sie das nicht für angemessen.
 

Was haben Sie bisher neben der Reise nach Mali in ihrer neuen Position als Staatsministerin erlebt?

Ich bin seit dem 8. Dezember, also seit gut 2 Monaten im Amt und arbeite mich jeden Tag weiter ein. Ich bin jetzt Parlamentarierin und Teil der Regierung und pendele daher zwischen Bundestag und Auswärtigem Amt. Das muss sich einspielen. Ich habe in den vergangenen Wochen viele Gespräche geführt - unter anderem Antrittsgespräche mit Botschafterinnen und Botschaftern.

Die Entwicklungen sind in jeder Hinsicht so, dass wir in der Außenpolitik nicht wirklich durchatmen können. Meine Chefin, Außenministerin Annalena Baerbock, ist ständig unterwegs und tut alles, um einen Krieg in Europa zu verhindern. Das ist unsere höchste Priorität, sowohl für diese Bundesregierung als auch für mich persönlich.

„Nie wieder Krieg“ war immer meine größte Motivation, mich politisch zu engagieren, und daher glaube ich auch, in dieser neuen Position an der richtigen Stelle zu sein.

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