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19.01.19 –
Anrede,
vielen Dank für die freundliche Vorstellung und die Einladung hier heute zu Ihnen sprechen zu dürfen. Es ist ja heute ein ganz besonderer Tag - genau vor Hundert Jahren konnten die Deutschen erstmals in freien und gleichen Wahlen ihre Stimme abgeben.
Bei der Wahl zur Weimarer Nationalversammlung konnte alle Frauen, aber auch viele Männer erstmals Ihr Wahlrecht ausüben. Es gibt zu Recht deshalb in diesen Tagen viele Veranstaltungen zum Frauenwahlrecht in der ganzen Republik.
Dennoch will ich heute in diesem Rahmen doch lieber zur sicherheits-und Verteidigungspolitik sprechen. Ich muss gestehen, dass ich es durchaus als Herausforderung empfinde einen sicherheitspolitischen Auftakt in dieses neue Jahr 2019 zu präsentieren und dabei niemanden die Stimmung zu vermiesen.
Die weltpolitische Lage gibt leider wenig Anlass für Optimismus. Die Kriege im Jemen und in Syrien nehmen kein Ende. In Afghanistan verschlechtert sich Sicherheitslage ebenso wie in Mali. Auch für die Ukraine ist keine Lösung in Sicht. Im Gegenteil: erstmals schießt zum Jahresende die russische Marine auf ukrainische Kriegsschiffe. Russland und USA verabschieden sich gerade - jeder auf seine Weise - vom letzten großen Rüstungskontrollvertrag, dem INF Vertrag und wir diskutieren wieder über nukleare Mittelstreckenraketen in Europa. Als jemand, die als Teenagerin in den 80er Jahren von den Abrüstungsdebatten geprägt worden bin kann ich es immer noch nicht fassen, dass wir tatsächlich wieder vor diese Zeit zurück fallen sollen.
Das besondere an dem Vertrag von 1987 war doch gerade die Erfahrung, dass sich die Vernunft tatsächlich durchsetzen kann! Und was erleben wir heute? Verzweifelt versuchen wir den letzten Rest an Zusammenhalt in Europa zu retten. Die unvernünftigste aller Entscheidungen dürfte wohl die Volksabstimmung in GB zum Brexit gewesen sein. Aber auch jenseits des Atlantiks tun wir uns schwer mit der Vernunft. Nach einem Telefonat unter Männern werden da mal eben die Kurden an Erdogan ausgeliefert, damit dieser im Gegenzug keine russischen Flugabwehrraketen kauft. Die Kurden haben Ihren Zweck im Kampf gegen den IS erfüllt und nun sollen wir alle zusehen, wie die kurdischen Siedlungsgebiete vom türkischen Militär überrollt und ethnisch gesäubert werden, wie in Afrin bereits begonnen. Man kann nur hoffen, dass sich der zunehmende Widerstand gegen diese Absprache in den USA durchsetzt.
Aber was ist nun unsere Rolle, die Rolle Deutschlands in diesem ganzen Schlamassel? Sicherlich ist der Einfluss deutscher Außen- und Sicherheitspolitik in Anbetracht der genannten Krisen und Herausforderungen begrenzt, aber trotzdem nicht irrelevant. Deutschland ist innerhalb der EU und der NATO nicht irgendwer, sondern durchaus von einer Größe und Gewicht, die auch Verantwortung mit sich bringt. Eine Bundesregierung kann sich da in kritischen Fragen nicht hinter dem größeren Bündnispartner verstecken und auf den mangelnden Einfluss verweisen. Was also tun? Da gibt es zu einem die Debatte um die Erhöhung des deutschen Verteidigungshaushaltes auf 2 % des Bruttoinlandproduktes. Ich will mal etwas überspitzt die These in den Raum stellen, dass wir das 2 % Ziel im nächsten Jahr möglicherweise schneller erreichen als uns lieb sein kann, ohne dass zusätzliches Geld bei der Bundeswehr ankommt. Wenn es nämlich tatsächlich zu einem ungeregelten Brexit kommt, die italienischen Staatsschulden den Euro wieder destabilisieren und der Handelskrieg zwischen USA und China die Weltwirtschaft lahm legt dürfte auch das deutsche Bruttoinlandprodukt davon nicht unberührt bleiben. Allein daran wird schon deutlich, dass diese Richtgröße nicht wirklich sicherheitspolitischen Sinn ergibt.
Dann gibt es die Diskussion um die Vergrößerung der Bundeswehr. Aber haben wir nicht gerade erst 2010 die Verkleinerung der Bundeswehr und die Strukturreform auf den Weg gebracht? 8 Jahre sind aus meiner Sicht keine Zeitspanne in der man eine Organisationseinheit in der Größenordnung der Bundeswehr sinnvoll in die jeweils umgekehrte Richtung umstrukturieren kann und sollte. Das größte Problem ist doch derzeit nicht, dass die Bundeswehr zu klein ist, sondern wie die Mängel bei Ausstattung und Rüstungsbeschaffung beseitigt werden können.
Solange das Vertragsmanagement dazu führt, dass bestellte Schiffe nicht schwimmen, Flugzeuge nicht fliegen und die für Instandhaltung notwendige Dokumente nicht zu finden sind oder wie bei der Privatisierung der HIL-Werke kürzlich festgestellt angeblich beim Rheinhochwasser in Koblenz in den Kellern des BAIINBW untergegangen sein sollen wird mehr Geld das Problem nicht lösen. Und ehrlich gesagt auch dann nicht, wenn man es für super tolle Anwaltskanzleien und Wirtschaftsberater ausgibt.
Von den Vergaberechtsverstößen wollen wir an dieser Stelle noch gar nicht reden. Die werden uns im Untersuchungsauschuss im neuen Jahr nun doch noch mehr beschäftigen als uns lieb ist. Lieber wäre mir gewesen es hätte sich irgendjemand im BmVG gefunden, der für die Rechtsverstösse die Verantwortung übernimmt. Dann hätten wir uns wieder auf die drängenden Probleme auf der Welt konzentrieren können. Es ist unbestreitbar so, dass die Bundeswehr die Mittel und die Ausstattung bekommen muss, die sie braucht um Ihren Auftrag erfüllen zu können. Soweit dürften sogar die Ministerin und ich uns einig sein.
Allerdings kann die Frage nach Größe und Ausstattung doch nicht unabhängig von der Frage des Auftrages beantwortet werden. Wofür soll die Bundeswehr denn ausgestattet werden? Der Auftrag fällt schließlich nicht vom Himmel, sondern muss von der politische Führung formuliert werden. Die Ministerin legt die hohe Zahl an Auslandseinsätzen weltweit als gegeben zugrunde und kommt damit zu der Erkenntnis, dass die Bundeswehr vergrößert werden muss.
An der Stelle möchte ich aber mal die Frage nach den Prioritäten stellen. Wer immer und überall Bündnisfähigkeit unter Beweis stellen will wird am Ende wohl eher das Gegenteil erreichen. Im Grundgesetz steht außerdem nicht, dass es die Aufgabe der Streitkräfte ist Bündnisfähigkeit zu beweisen. Da steht zunächst einmal was von Verteidigung. Und darüber hinaus können sich die Streitkräfte an Missionen im Rahmen eines Systems kollektiver Sicherheit beteiligen.
Damit ist vor allem die UNO gemeint. Ganz sicher nicht gemeint sind sogenannte Koalitionen der Willigen, wie sie derzeit in Syrien und im Irak stattfinden.
Und wie sie die Ministerin in Ihrem Weißbuch als Modell der Zukunft bezeichnet hat. Diese Einsätze müssen wir m.Ea. schon deshalb beenden, weil sie teilweise völkerrechtswidrig, mindestens aber verfassungswidrig sind. Ich kann nur dringend davor warnen, wenn jetzt einige öffentlich diskutieren die Wehrverfassung im Grundgesetz zu ändern um den Rechtsbruch zu heilen. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben sich durchaus dabei was gedacht und sie haben es auch in Ruhe durchdacht und das sollten wir nicht einem hektischen Zeitgeist opfern. Und schon gar nicht in einer Zeit, in der die Nationalisten im Auftrieb sind und am liebsten den Multilateralismus und das Völkerrecht zusammen entsorgen wollen.
Wenn wir also zu dem Ergebnis kommen, dass die Bundeswehr an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit gelangt ist, dann müssen wir nicht nur die Ausstattung verbessern, sondern auch den Auftrag in den Blick nehmen. Handlungsfähigkeit muss auch dadurch wieder hergestellt werden, dass man Prioritäten setzt. Wer sich nicht konzentriert und überall dabei sein will, wird am Ende auch keine Erfolge erzielen können. Nun ist es ohnehin schwierig genug bewaffnete Konflikte durch militärische Einsätze zu befrieden. Es wäre aber für alle Beteiligten hilfreicher durch Konzentration der Mittel tatsächlich mal einen Erfolg zu erzielen anstatt überall die eigene Hilflosigkeit zu dokumentieren.
Das würde auch im Hinblick auf die Akzeptanz der Streitkräfte in der Gesellschaft mehr bringen als jedes bunte YouTube-Video. Mehr Verantwortung zu übernehmen heißt also auch mal einen Einsatz nicht mit zu machen. Nun will nicht nur Deutschland, sondern auch Europa mehr Verantwortung übernehmen. Das ist in Anbetracht der aktuellen Unberechenbarkeit unseres bislang wichtigsten Bündnispartners zweifelsohne notwendig. Es ist aber schon erstaunlich, wer so alles im Europawahljahr 2019 das Wort von der "europäischen Armee" in den Mund nimmt.
Ganz schön ehrgeizig, wenn man sich vor Augen führt wie hartnäckig jedes Pooling und sharing bislang an der jeweils nationalen Souveränität gescheitert ist. Ob es diesmal anders wird? Unter dem Begriff Pesco wurden inzwischen 34 Projekte möglicher Zusammenarbeit identifiziert und aufgeschrieben. Da geht es u.a. um gemeinsame Logistik, gemeinsame Sanitätskommandos, militärische Mobilität bis hin zur europäischen Drohne. Auch wenn nicht alle diese Projekte unumstritten sind, ist die Notwendigkeit für mehr Zusammenarbeit doch breiter Konsens. Die Zusammenlegung militärischer Fähigkeiten dient schließlich immer auch der Friedenssicherung, denn Staaten deren Streitkräfte miteinander verzahnt sind, können schwerlich gegeneinander Krieg führen. Und wenn durch die Investition in Brücken und Schienen nicht nur das Militär, sondern auch alle anderen wieder mobil werden haben da nicht mal die Grünen was gegen einzuwenden.
Ebenfalls sinnvoll dürfte neben Peco auch der sogenannte CARD Prozeß sein. Dabei geht es um den verbesserten Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten um militärische Fähigkeitslücken besser zu identifizieren und gemeinsam schließen zu können. Was mich allerdings etwas stutzig macht ist die Tatsachen, dass die Pesco Projekte schon beschlossen werden bevor die Ergebnisse des CARD Prozesses vorliegen. Da scheint mir die Reihenfolge nicht wirklich logisch, aber vielleicht habe ich das nicht richtig verstanden. Was ich allerdings sehr gut verstanden habe ist, wer als erstes den größten Nutzen von diesem Prozess haben wird. Und zwar bevor und unabhängig davon, ob und wann die Streitkräfte davon profitieren.
Das erkennt man, wenn man sich neben CARD und Pesco noch den europäischen Verteidigungsfonds näher ansieht. Durch diesen Fonds sollen künftig Forschung und Entwicklung von Waffensystemen bis zur Produktionsreife aus dem EU Haushalt finanziert werden. Dabei geht es um 500 Mio jährlich aus EU Mitteln, die durch nationale Gelder so ergänzt werden sollen, dass sich der Fonds von 2020 bis 2027 auf 13 Mrd. Euro summiert. Davon 4 Mrd. für Forschung und 9 Mrd. für Entwicklung. Diese Gelder werden an die Industrie ausgezahlt, wenn sich mehrere Mitgliedstaaten zusammentun und ein Unternehmenskonsortium aus mindestens drei Ländern beauftragen.
Was genau für Entwicklungen gefördert werden, entscheidet ein ominöser Beirat, indem die Industrie selber sitzt und das ohne jede parlamentarische Kontrolle. Es werden dazu u.a. auch einige der umstritteneren Pesco Projekte wie die Euro Drohen gehören. Selbst die Entwicklung vollautomatisierter Waffensysteme ist nicht ausgeschlossen worden, obwohl die Bundesregierung diese Systeme doch laut Koalitionsvertrag ächten will und auch das EP mit großer Mehrheit gefordert hatte diese Waffensysteme von der Förderung auszunehmen.
Auf Wunsch von Frankreich ist dieser Ausschluss wieder gestrichen worden und die Bundesregierung hat es abgenickt. Da die EU Mittel zusätzlich zu den nationalen Gelder investiert werden kann man hier kaum von einer Konsolidierung des europäischen Rüstungsmarktes sprechen. Diese Fonds ist am Ende eine reine Rüstungsubvention aus EU Mitteln ohne parlamentarische Kontrolle. Dass die Interessen der Industrie häufig nicht im Einklang stehen mit den Interessen der Streitkräfte kann man ja bei uns auf nationaler Ebene ausreichend beobachten.
Man stelle sich vor, die Bundeswehr kauft Material von der Stange allein weil es vorhanden ist und funktioniert?! Ein Alptraum für die Industrie. Es gibt doch nichts schöneres als ein Entwicklungsvertrag bei dem jede Gewährleistung von vorneherein ausgeschlossen ist, weil man schließlich nie vorher wissen kann ob die Entwicklung zu dem gewünschten Ergebnis kommt. Trotzdem wäre europäische Zusammenarbeit auch im Rüstungsbereich sinnvoll. Aber dann bitte so, dass die Mittel künftig effizienter eingesetzt werden und nicht einfach noch mehr ausgegeben wird -und schon gar nicht durch Umwidmung aus EU -Mitteln. Die stehen nämlich nach Art 41 LV gar nicht für militärische Ausgaben zur Verfügung.
Um diese Vorschrift zu umgehen, stützt die EU Kommission den Fonds auf eine andere Vorschrift, bei der es um die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie geht. Das ist aber unzulässig, denn bei dem Fonds geht es ganz klar um Verteidigungspolitik. Die Wettbewerbsfähigkeit der Rüstungsindustrie bringt aber nicht automatisch einen sicherheitspolitischen Mehrwert. An den geförderten Entwicklungen soll die Industrie nämlich die alleinigen Rechte bekommen. Es kann aber nicht in unserem Sinne sein, dass aus staatlichen Mitteln geförderte Waffensysteme dann ohne Einschränkung weltweit verwertet werden.
Wenn Konzerne, wie die ortsansässige Firma Rheinmetall, sicherheitsrelevante Technologie an Drittstaaten wie Saudi Arabien veräußert und dabei deutsche Genehmigungsvorbehalte umgeht, gefährdet das deutsche Sicherheitsinteressen. Wenn wir künftig wirklich einen gemeinsamen europäischen Rüstungsmarkt wollen, dann müssen wir auch die Rüstungsexportkontrolle endlich europäisieren. Und dass wir in Deutschland per se die strengsten Gesetze hätten ist längst widerlegt. Weder Frankreich noch die USA lassen es zu, dass Rüstungsmanager mal eben ihre Dienste und ihr Knowhow im Ausland zu Markte tragen ohne dass es dazu auch nur einen Genehmigungsvorbehalt gäbe.
Verantwortung im Jahr 2019 heißt also mindestens dreierlei: Einen verantwortlichen Auftrag für die Streitkräfte definieren, Multilateralismus und Völkerrecht verteidigen Mit den vorhandenen Mitteln besser und effizienter einkaufen Und der Industrie klare Grenzen setzen beim Export sicherheitsrelevanter Technologie.
Und zu guter Letzt noch eine Bitte in Sachen Europa: Wir können alle -jede und jeder für sich- 2019 Verantwortung übernehmen und am 26.Mai bei der Europawahl wählen gehen und die demokratischen Parteien stärken. Überlassen wir Europa bitte nicht den Nationalisten, die die europäische Einigung zurück drehen wollen! Denn die bereiten sich schon vor auf diese Wahl. Und das tun sie paradoxerweise grenzüberschreitend- obwohl sie doch Nationalisten sind.
Wenn wir uns an 1918 erinnern so wird deutlich, dass gerade Soldatinnen und Soldaten am besten wissen was wir mit der europäischen Einigung gewonnen haben. Bis zum 11. November 1918 sind täglich durchschnittlich 2000 überwiegend junge Männer elendig zu Tode gekommen.
Beim Besuch der Gräber von Verdun hat mich am meisten die Inschrift über dem mit menschlichen Knochen gefüllten Keller des Knochenhauses bewegt: "Wir waren die Jugend Europas. Vergesst uns nicht." In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein friedliches neues Jahr 2019 und Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
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