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10.04.19 –
Arbeitsbedingungen und Menschenrechte von EU-Bürgerinnen und -bürgern waren kürzlich Thema einer Veranstaltung im Rahmen der internationalen Wochen gegen Rassismus (IWgR) im Nienburger Kulturwerk.
Ulrike Kassube gab einleitend einen Überblick zu der mittlerweile in Nienburg etablierten Veranstaltungswoche. Deutschlandweit waren es im vergangenen Jahr über 1750 Veranstaltungen, die als Teil dieser ursprünglich von den Vereinten Nationen angeregten Aktion stattfanden. Sieben Veranstaltungen gab es 2019 in Nienburg. Passend zum diesjährigen Motto "Europa wählt Menschenwürde" beschäftigten sich die hiesige Bundestagsabgeordnete Katja Keul (Bündnis 90 / DIE GRÜNEN) und die Liebenauerin Ulrike Granich mit den Schattenseiten der europäischen Freizügigkeit.
Was dies im Einzelnen für die Betroffenen bedeuten kann, wurde in kurzen Filmsequenzen aufgezeigt: Sehr hohe Mieten für sehr schäbige Unterkünfte, falsche Versprechungen, Betrug, vorenthaltener Lohn, Verstoß gegen alle Arbeitnehmerschutzgesetze. Keul berichtete von ihren nun schon mehrere Jahre andauernden Aktivitäten gegen die Ausbeutung von Werk- und Leiharbeitern. Sie hob das herausragende Engagement von Peter Kossen hervor, der als ständiger Vertreter des Offizialatsbezirks Oldenburg in Vechta die Zustände in der Fleischindustrie angeprangert habe und dies nun als Pfarrer in Lengerich ebenso tue. Mit dem Ausbau von Beratungsstellen des Projektes "Faire Mobilität" des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) sei ein weiterer Baustein gegen illegalen Handel mit Arbeitskräften aus Osteuropa hinzugekommen.
Die Abgeordnete erinnerte in diesem Zusammenhang an den Fall zweier rumänischer Frauen, die im Landkreis Nienburg in einem abgelegenen Haus untergebracht waren und bei Wiesenhof arbeiten. Erst durch die gelungene Flucht der beiden Frauen sei doch bekannt geworden, unter welchen Zuständen sich auch hier Leih- und Werksarbeit abspiele. Der verantwortliche Subunternehmer David Petermeier habe ihre Einladung zur öffentlichen Diskussion vehement abgelehnt.
Ulrike Granich berichtete aus Liebenau von der Flüchtlingsinitiative "Liebenau hilft". Aus dem Unterstützerkreis für Flüchtlinge ist längst eine Institution für alle Hilfebedürftigen im Ort geworden. So werden auch EU-Bürger bei Bedarf mit Haushaltsgegenständen und Bekleidung versorgt. Es werde niemand ausgeschlossen, betonte Granich. Die Samtgemeinde Liebenau betreibe einen großen Aufwand, EU-Bürger im täglichen Leben zu unterstützen. So habe die Samtgemeinde in Kooperation mit dem Verein Herberge zur Heimat eine Beratungsstelle für EU-Bürger zur sozialen Eingliederung, Beratung und Unterstützung eingerichtet im Rahmen des Europäischen Hilfsfonds für am stärksten benachteiligte Personen (EHAP). Die Unterstützung reicht von der Suche nach geeigneten Sprachkursen über Behördenangelegenheiten bis zur Hilfe bei Schulden oder Arbeitslosigkeit. Inzwischen machen EU-Bürger einen beachtlichen Anteil an der Liebenauer Bevölkerung aus. 343 rumänische und 193 polnische Staatsbürger lebten Mitte Februar 2019 in Liebenau. Durch den Kontakt zu diesen Bürgern seien sie und ihre Mitstreiter aus dem Helferkreis immer wieder auf haarstäubende Zustände bei den Beschäftigungsverhältnissen gestoßen. Kranke würden entlassen und nach Genesung wieder eingestellt, um Lohnfortzahlung zu sparen. Dagegen sei man bereits erfolgreich gerichtlich vorgegangen. Unverständliche Arbeitsverträge oder das Vorenthalten einer Kopie für die Mitarbeiter, Arbeiten über das Schichtende hinaus, intransparente Zeiterfassungsmethoden, fehlende Abrechnungen und Stundennachweise seien die eine Seite. Die andere sei ein ständiger psychischer Druck, so Granich. "Das geht bis dahin, dass Jobverlust bei Teilnahme an einer Informationsveranstaltung angedroht wird, die dem Subunternehmer nicht in den Kram passt", monierte Granich.
Die Grünen-Abgeordnete Keul wies darauf hin, dass gerade in den kommenden Wochen die Bekämpfung illegaler Beschäftigung, Sozialleistungsmissbrauch und Schwarzarbeit im Bundestag erörtert werde. Für sie komme es auf der gesetzgeberischen Seite sehr darauf an, dass nicht die Opfer sondern die Täter im Blickpunkt von Sanktionen stehen. Außerdem sei eine bessere Ausstattung der Finanzkontrolle Schwarzarbeit als Teil der Zollverwaltung (FKS) von Nöten. Ankündigungen dazu habe es von Seiten der Bundesregierung bereits öfter gegeben, die Überprüfungen hätten aber seit Einführung des Mindestlohnes noch abgenommen und zahlreiche Stellen seien nicht besetzt. Die Abgeordnete kündigte an, sich selbst ein Bild von der Arbeit der FKS machen zu wollen. Einen Termin habe sie bereits vereinbart.
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