Mehr Diversität bei der Polizeiakademie Niedersachsen in Nienburg

Über Diversität, sinkenden Nachwuchs und den Fall der entlassenen Anwärterin

03.09.24 –

PRESSEMITTEILUNG

Die Bundestagsabgeordnete Katja Keul (Bündnis 90/Die Grünen) besuchte kürzlich die Polizeiakademie Niedersachsen am Standort Nienburg, um sich über die Personalsituation und die Fragen der Nachwuchsgewinnung zu informieren. Auch der Fall der entlassenen Anwärterin, über den die Harke am 12. August berichtet hatte, war Thema im Gespräch.
Das Gespräch fand mit Herrn Rose, Direktor der Polizeiakademie Niedersachsen, Herr Dr. Mauri (Wissenschaftlicher Direktor, Schwerpunkte u.a. Sozialwissenschaften, Terror und Extremismus) sowie Herr Dr. Götting (Wissenschaftlicher Direktor, Leiter Forschungsstelle Polizei- und Demokratiegeschichte / Polizeimuseum) statt.

Mit Blick auf die Studierendenschaft berichtet Herr Rose davon, dass die Vielfalt der Gesellschaft zunehmend innerhalb der Studierendenschaft widergespiegelt wird. „Uns ist Diversität bei der Polizei wichtig, deshalb haben wir sowohl die Geschlechterverteilung als auch die Herkunft aller Studierenden im Blick und arbeiten proaktiv, um eine möglichst heterogene Polizei auszubilden. Beispielsweise hat der neue Jahrgang einen Frauenanteil von 49 %; 18 % haben Migrationsgeschichte. Die Tendenz ist steigend und das freut uns sehr“, so der Direktor. Dr. Götting fügt hinzu, dass im Zuge dieser wachsenden Vielfalt eine neue Form der Liberalität gelebt werde. Die Studierenden würden hinterfragen, diskutieren und sich kritisch mit der Bedeutung ihrer Arbeit befassen, eine Neuheit, die zu seiner Zeit als Anwärter undenkbar gewesen sei.

„Dennoch ist die Polizei nicht bundesweit vergleichbar. Unser Haus hat in Deutschland ein hohes Ansehen und das ist auch auf unsere Agilität bezüglich gesellschaftlicher Veränderungen zurückzuführen“, ergänzt der Historiker, der sich insbesondere mit dem Zusammenhang von Demokratie und Polizei befasst. „Mit den anderen Bundesländern stehen wir im engen Austausch und können dadurch unsere Erfahrungen und Wissen weitergeben und zeitgleich von den Kolleg:innen lernen“, betonen Herr Rose und Dr. Götting.
Keul äußerte besondere Anerkennung für das Programm "Polizeischutz für die Demokratie", auf das die Akademie wirklich stolz sein könne.

Nichtsdestotrotz herrsche auch bei der Polizei Nachwuchsmangel. Zwar sei das Ziel von 640 Neuzugängen um 35 Anwärter:innen übertroffen worden, dennoch seien die Zahlen der Bewerbungen seit dem Bestehen der Polizeiakademie auf einem Tiefststand. Deshalb könne man nicht mehr darauf warten, dass geeignete Kandidat:innen von selbst auf die Akademie zugehen; vielmehr müsse man proaktiv auf die Schulabgänger:innen zugehen.

Im Zuge des zuletzt bekannt gewordenen Falls der entlassenen Anwärterin erklärt Herr Rose die enge Zusammenarbeit bei Meldungen diskriminierenden Verhaltens: „Selbstverständlich haben wir bei jedem gemeldeten Verhalten und jeder gemeldeten Äußerung Ermittlungen eingeleitet. Solche Meldungen sind sehr wichtig, denn wir dulden keine Diskriminierung jeglicher Art – weder auf Ebene der Studierenden noch seitens der Dozent:innen.“ Dr. Mauri ergänzt, dass die Sensibilisierung in der Sprache nicht nur von der Leitung gefordert, sondern auch vom Lehrpersonal in regelmäßig angebotenen Schulungen angefragt werde. „Das zeigt die sehr große Bedeutung von Sprache und den bewussten Umgang“, so Dr. Mauri.

 „In der Akademie vermitteln wir den Studierenden die Philosophie des offenen Visiers: die Polizei soll nahbar sein und die Gesellschaft Vertrauen in die polizeiliche Arbeit haben“, findet Rose einleitende Worte zu seiner Lehreinrichtung. Deshalb sei es für die Dozierenden sowie die Leitung ein besonderes Anliegen, die Mitarbeitenden und Studierenden auf sensible Sprache und sensible Situationen intensiv vorzubereiten. Fehlverhalten zu melden sei wichtig und dafür würde auch niemand sanktioniert oder gar entlassen.

In Hinblick auf die öffentliche Berichterstattung bedauerte Herr Rose, dass ein seitens der Akademie angebotenes Hintergrundgespräch mit der Harke nicht zustande gekommen sei – zumal zu diesem Zeitpunkt die Begründung der Verwaltungsgerichtsentscheidungen im Eilverfahren bereits öffentlich zugänglich waren ( VG Hannover 2 B 512/24 vom 06.03.2024 und Nieders. Oberverwaltungsgericht 5 M 25/24 vom 07.Mai 2024). Keul bestätigte, dass sie die Ausführungen in der OVG Entscheidung für nachvollziehbar halte. In einem Instagram-Post habe die Betroffene inzwischen auch selbst angekündigt die Klage zurückzunehmen.

Keul erkundigte sich auch danach, wie die problematischen Fälle des Schusswaffengebrauchs gegenüber psychisch Kranken im Polizeistudium behandelt werden. So sei der schockierende Fall vom Ostersamstag in Nienburg ja leider bundesweit nicht der einzige.
Rose erläuterte, dass der Umgang in sogenannten Hochstresssituationen fest im Lehrplan verankert sei – sowohl in der Theorie als auch mit einem Praxisteil. „Oftmals geht es in solchen Situationen nicht nur um eine psychische Erkrankung, sondern auch um Drogen- oder Alkoholmissbrauch." Diese Lagen seien oft sehr schwer einzuschätzen. „Im Studium lernen die Anwärter:innen immer, deeskalierend zu agieren. Dafür absolvieren sie teilweise auch Seminare mit Richter:innen sowie mit dem sozial-psychiatrischen Dienst. Uns ist es wichtig, dass die Studierenden die Blickwinkel der verschiedenen Institutionen kennenlernen, die mit solchen Extremsituationen ebenfalls befasst sind“, erklärt Dr. Mauri.
Die künftigen Kolleg:innen würden lernen, dass die Polizei nicht alle Fälle allein lösen könne und häufig früher mit dem sozial-psychiatrischen Dienst zusammenarbeiten müssten. „Diese Situationen mit psychisch kranken Menschen sind sehr schwer zu trainieren, da jede Krankheit unterschiedliche Charakteristika hat“, fügt Direktor Rose hinzu.

Auch die Bundestagsabgeordnete Keul bekräftigt dies: „Mir ist die schwierige Ausgangslage bewusst, dennoch erkenne ich, dass Sie sich in der Akademie der Herausforderung annehmen und verschiedene Wege gehen, um die Anwärter:innen auf derart herausfordernde Einsätze vorzubereiten“. Im Fall Lamin Touray, der im März während eines Polizeieinsatzes getötet wurde, erwarte sie, dass der Abschluss der Ermittlungen ausreichend öffentlich kommuniziert werde. Der Vorfall habe in Nienburg sowie bundesweit die Bürger:innen sehr schockiert und beunruhigt. „Deshalb stehen die Ermittlungsergebnisse im klaren öffentlichen Interesse“, so Keul.

 

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